Eigentlich sollten alle Besucher die kleine Stadt Agropoli vom Meer aus kennenlernen, um dieses Schmuckstück des Cilento besser verstehen zu können. Hoch über dem Meer auf einer Felsennase, die mitten ins Meer ragt und so einen kleinen natürlichen Hafen bildet, liegt die Burg und die Altstadt von Agropoli. Der geschützte Zugang zum Hafen und der Schutz durch Fels und Berg hat zu einer frühen Besiedlung schon in der Bronze - und Eisenzeit geführt wie zahlreiche Funde beweisen. Auch die ersten griechischen Kolonisten, die Gründer von Paestum ( 7 km entfernt ) und Velia waren an diesem Platz interessiert. Beweisbar ist, dass die Burg auf griechischem Fundament steht, das im 4. Jahrhundert vor Chr. als Tempel des Poseidon sicher Orientierungspunkt für die Seefahrt darstellte. Agropoli - trotz dieses griechisch klingenden Namens - erlangte neben Paestum und Velia keine städtische Bedeutung. Dafür war der Ort wirtschaftlich für die beiden Schwestern Paestum und Velia sehr wichtig. Kalk und Kalksteine wurden gebraucht und das gab es nur in Petros. So lautete der griechische Name des Ortes, was man mit Stein oder Felsen übersetzen kann. Petros, oder wie die römischen Bürger sagten: Petra, erlangte noch mehr Bedeutung. Als die Mündung des Seleflusses versandete und Paestum einen neuen Anlegeplatz für seine Waren brauchte, war der kleine natürliche Hafen von Petra die nahegelegene Wahl. Trotz dieser großen Nähe und Verbindung zu den Griechen und später auch zu den Römern kann aus den wenigen Bauresten geschlossen werden, dass Petra eher von Nichtgriechen und Nichtrömern besiedelt war. Am ehesten wahrscheinlich sind hier die Lukaner zu nennen, die enge und zumeist freundschaftliche Beziehungen zu Paestum unterhielten. Nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches im 5. Jahrhundert n.Chr. entsteht ein großes Machtvakuum in Italien. Ostgoten und Westgoten versuchen ihre Macht auszudehnen, bis Kaiser Justinian II. von Byzanz dem Einhalt gebietet. Es gelingt ihm, seine Macht auf den gesamten Mittelmeerraum militärisch auszuweiten. Um dieser Macht eine Basis zu geben, setzt eine Missionierungswelle ein, gefolgt von dem Bemühen, auch durch Bauten die Macht des byzantinischen Staates ( oströmisches Reich ) zu dokumentieren. Auch im Hafen von Agropoli liegen Militärschiffe der byzantinischen Armee, die von missionierenden Mönchen begleitet werden. Ihr Glauben entspricht dem auf dem Konzil von Nikea 325 beschlossenen Dogma der Dreifaltigkeit und diese wiederum stimmt mit der päpstlichen römischen Ansicht überein. Man fühlt sich also nicht nur militärisch als Sieger, sondern auch als Rechtgläubiger gegen die verschiedenen germanischen Eindringlinge, die als Arianer ( nach Bischof Arius, 4. Jrhdt n. Chr. ), Christen zwar auch schon, jedoch seit dem Konzil von Nikea 325 als Häretiker ( Ablehnung der Trinität ) gebrandmarkt waren.
Jeder Kampf braucht auch Schutzanlagen für die eigenen Leute und die Bevölkerung. So wurde die Burg ( Festung ) in Agropoli auf einem Felsen errichtet. Wie diese Anlage damals konzipiert war und wie sie aussah, ist nicht bekannt. Die byzantinische Bautätigkeit ist bewiesen, nicht zuletzt durch ein schriftliches Dokument aus dem Jahr 599, das den Bischof von Paestum anweist, in der Burg von Agropoli Schutz zu suchen. Die Mönche aber, die das militärische Unternehmen begleitet hatten, setzen sich in ihrer Missionierungsaufgabe an verschiedenen Plätzen im Cilento fest. Es waren ausschließlich basilianische Mönche, die sich mehr am praktischen Leben orientierten und so auch gerne aufgenommen wurden.
Aber das byzantinische Reich Justinians II. hält nicht lange. Die nordafrikanische Region wie Algerien, Marokko und Tunesien gehen verloren und Agropoli, so die Deutung des Namens von Agaropoli, wird besiedelt von Leuten aus Agarene ( Marokko ), die sich eine bessere Zukunft in dieser Stadt erwarten. Agareni nennt man sie und sie sich selbst. So wird in kleiner Abwandlung aus dem griechisch byzantinischen Namen Akropolis der Herkunftsname Agaropoli und später der heutige Name Agropoli. Bald wird die Burg wieder benötigt. Langobarden haben Italien erobert und sind nach Süditalien vorgedrungen. Salerno, in Sichtweite von Agropoli, wird ihre Hauptstadt und bald sind sie die Herren trotz der Burg. Ein Wermutstropfen begleitet anfangs diese Herrschaft. Zwar sind die Langobarden Christen, aber Arianer, und gelten als Ketzer für Rom und Byzanz. Im 7. Jahrhundert verbreitet sich der moslemische Glaube sehr schnell über Nordafrika bis nach Sizilien und die omaijadischen Mauren versuchen Macht und neuen Glauben auszubreiten, während die Langobarden ihre Macht in Süditalien zu stabilisieren versuchen. Überall gibt es Angriffe der Mauren auf dieses Gebiet. Im Jahr 882 gelingt es den Mauren die Burg und die Stadt Agropoli trotz dicker Mauern zu erobern und dies in Sichtweite von Salerno. Agaropoli wird zum Stützpunkt der Mauren. Die Mauern werden weiter erhöht, auch die Burg wird befestigt gegen die langobardischen Herren in Salerno. Gleichzeitig versucht man durch Raubzüge die ganze Gegend zu verunsichern. Die Einwohner von Agaropoli nehmen den neuen Glauben der Leute aus dem eigenen Land an. 1028 n. Chr. endet die Herrschaft der Mauren, die in Agropoli genauso wie in spanisch oder portugiesisch - maurischen Gegenden deutliche Spuren hinterlassen haben. Der Minarett - Kamin auf manchen Häusern erzählt davon. Mit der kriegerischen Vertreibung der Mauren ( Saraceni im Italienischen ) werden wieder Langobarden, inzwischen zum offiziellen katholischen Glauben übergetreten, die Herren und die Stadt wird wieder Bischofssitz. Aber schon bald mischen sich die Normannen in die noch schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Rom und Byzanz ein. Sie unterstützen die Langobardenherzöge im Süden im Kampf gegen Eindringlinge aus Nordafrika. Unter Roger II. gelingt es mit Einverständnis der Langobarden und dem Vatikan in Rom, ein normannisches Reich in Süditalien zu begründen. Beste Baumeister sind die Normannen. Agropoli bekommt seine Burg im normannischen Stil mit den typischen runden Türmen befestigt und auch die Stadt wird mit normannischen Schutztürmen gesichert, denn noch immer gelten Stadt und Hafen als günstiger Stützpunkt. Friedlich ist der Übergang an die Staufer. Friedrich II. übernimmt das Erbe der Normannen und bestimmt damit auch über Agropoli, das sich seit der Langobardenzeit wieder im kirchlichen Besitz befindet. Die Aktivitäten der Kirche aber, die zur Verschwörung gegen den Kaiser, berühmt für seine Toleranz gegenüber den Arabern und Juden, aufrief, ist dem Nachbarstädtchen Capaccio zum Verhängnis geworden, denn dort nahm Friedrich II. blutige Rache an den verräterischen Adligen der ganzen Gegend. Aber auch für die moslemische Bevölkerung hatte dies Konsequenzen, die bis dahin ihrem anderen Glauben nachgehen durften. Jetzt aber verfügt Friedrich II., um allen Schwierigkeiten mit dem ungeliebten Papst in Rom aus dem Weg zu gehen, dass alle Juden und Moslems ihren Glauben ablegen und zu einer der christlichen Kirchen konvertieren müssen. Die Einwohner konvertierten meist zur tolerierten griechisch-orthodoxen Kirche und bauten auf ihre Häuser Minarette als Kamine. Nach Friedrich II. beginnen wieder kriegerische Auseinandersetzungen, um den Einfluß des Vatikan in Süditalien zu sichern. Dies gelingt mit Hilfe des französischen Adelshauses Anjou ( Sanseverino ). Trotzdem bleibt die kleine Stadt erhalten und die Burg wird gepflegt für alle Fälle zum Schutz vor dem nächsten Angreifer. Feudalbesitz ist Agropoli nun geworden, erst bei den Anjou, dann bei den neuen Siegern, den spanischen Aragon. Man zahlt an die Kirche eine entsprechende Lehenssumme. Im 16. Jahrhundert taucht eine neue Gefahr vom Meer her auf. Korsaren, man vermutet türkische Freibeuter, befahren die Küste und reizvoll für sie und ihre Schiffe: der Hafen von Agropoli. Mehrmals wird die Burg gestürmt und die Stadt geplündert und es werden die Bewohner zu Sklaven gemacht. Agropoli ist ausgeraubt und arm, auch der kleine Hafen hat kaum noch Bedeutung. So wird alles an einen Feudalherren des neapolitanischen Adels verkauft ( 1660 ). Aber die Herren Sanfelice wirtschaften schlecht. Nachgesagt werden ihnen viele Schulden und schlechter Charakter. Die Herrschaft dieser Adelsfamilie endet mit den Franzosen, die die Leibeigenschaft aufheben (1806 ). Heute hat Agropoli zwei Gesichter, ein modernes und ein ursprüngliches. Wer mit dem Auto an Agropoli vorbeifährt, sieht fast nur das neue Gesicht. Wer aber den Weg zum Hafen findet und den gut angelegten Weg am Rande des Felsens zur Burg hinaufsteigt, macht einen spannenden Spaziergang in die Geschichte, mit einem Anblick, der nicht nur die Griechen, die Römer oder basilianische Mönche zum Verweilen einlud, sondern auch die Mauren und die türkischen Freibeuter anzog und der uns heute noch genauso fasziniert.
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